Techne

τεchnē – Eine Produktionsplattform von Künstlerhaus Stuttgart und Theater Die Rampe

12. November 2017 – 21. Januar 2018
DIE SCHRECKLICH GUTE MUTTER
eine soziale Skulptur

Das Künstlerhaus Stuttgart e.V. wurde 1978 von Stuttgarter Künstler_innen gegründet und hat sich seitdem zu einer überregional profilierten Institution für Gegenwartskunst entwickelt. Von Beginn an war die Verknüpfung lokaler und internationaler Positionen ein Schwerpunkt des Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramms. Neben einem Atelierstipendium zur Förderung junger lokaler Künstler_innen unterhält das Künstlerhaus technische Werkstätten (Keramik, Buchdruck, Lithografie, analoge Fotografie, Video etc.), die er Öffentlichkeit unter Anleitung der Werkstattleiter_innen zur Verfügung stehen. Während das Haus über Jahrzehnte hinweg eine Vorreiterrolle im Bereich neuer Technologien und Medien einnahm war die Erhaltung und Vermittlung traditioneller Kunst- und Handwerksformen es ebenso ein wichtiges Anliegen.
Zum 40-jährigen Jubiläum des Künstlerhauses wird im Augenblick das Café im Erdgeschoss umfassend saniert und umgestaltet. Im Sinne des Gründungsethos des Hauses sollen das Café und der dazugehörige Biergarten wieder stärker als sozialer Raum für Kunstschaffende, Besucher_innen und Nachbarschaft verstanden und nutzbar gemacht werden. In diesem Zusammenhang wurde der Künstler Ulrich  Bernhardt, Gründer und erster Künstlerischer Leiter des Künstlerhauses, eingeladen, sich in Form eines künstlerischen Projektes mit diesem Selbstverständnis auseinanderzusetzen. Das Ergebnis ist die soziale Skulptur Die Schrecklich Gute Mutter, ein Brotbackofen, der im Biergarten installiert werden soll und zugleich Kunstobjekt, Versammlungsplatz und Ort für traditionelles Handwerk und Lebensmittelproduktion ist.
Ulrich Bernhardt realisiert den Brotbackofen in Zusammenarbeit mit Künstler_innen und Mitarbeiter_innen des Künstlerhauses in der hauseigenen Keramikwerkstatt. In seiner Konzeption spielen ästhetische, historische, mythologische, soziale und ökologische Fragestellungen gleichermaßen eine Rolle: Bernhardtsieht im Backofen die fundamentalste Erfindung der Jungsteinzeit, welche von dem grundlegenden Verständnis der Natur als lebensspendende Mutter Erde ausgeht. Dieser Mythos wird im Titel der Skulptur, Die Schrecklich Gute Mutter, aufgegriffen und soll auch Ausgangspunkt der ästhetischen Gestaltung des Ofens sowie des begleitenden Veranstaltungsprogrammes mit Performances und diskursiven Formaten sein. Weiterhin stellt das Projekt Fragen zur Veränderung der Lebensmittelproduktion und deren Auswirkung auf unser Verständnis von Nahrungszubereitung und -konsum als gemeinschaftlicher, sozialer und sinnlicher Prozess: Was bedeutet heute noch ein Backofen, wenn wir die Backwaren vom Billigbäcker beziehen? Haben wir noch eine sinnliche Beziehung zu Brot und natürlichen Lebensmitteln? Wie wichtig ist unser Verhältnis zu natürlicher und ökologischer Landwirtschaft? Welche Rolle spielt die Weitergabe des Wissens um traditionelle Backkultur? Inwiefern wird Essen heute als gemeinschaftsstärkendes Ritual verstanden?
Diesen Fragen begegnet Ulrich Bernhardts Projekt auf nachhaltige Art und Weise. Auf lange Sicht soll der Brotbackofen Künstler_innen, Nachbarn aus dem Stuttgarter Westen, junge und alte Bürger_innen der Stadt jeweils am ersten Sonntag des Monats zusammenbringen und ihnen zum gemeinsamen Backen und Essen zur Verfügung stehen. Die Kindheitserinnerungen Bernhardts an die dörfliche schwäbische
Backhaustradition sollen in Zusammenarbeit mit der Kinderwerkstatt des Künstlerhauses auch an städtische Kinder weitergegeben werden.